Am Seidenen Faden
Diabas
82 x 28 x 22 cm

Eine Skulptur zum Thema Grenzgang. Wie weit kann ich gehen, was hält der Stein noch aus, wieviel Geduld habe ich, was traue ich mir zu? Das waren die auslösenden Fragen zu dieser Arbeit.

Der Arbeitsprozess

 

 

»GRENZGÄNGE«

Das Zwischen-den—Dingen-sein, sich dort bewegen, sich dort aufhalten und das Dazwischen heraus- fordern. Etwas aus dieser Balance heraus betrachten — nicht ja oder nein, sondern der schmale Grat dazwischen. Aber auch das Extrem, das An-die- Grenze-gehen und die Grenzerfahrung auskosten. Die Schwelle betrachten, reflektieren und – vielleicht – überschreiten.

Die Position an der Grenze zwischen zwei Zuständen, Orten, Entscheidungen oder Zeiten ist eine besondere Stelle. Auf der Grenze bin ich in einem fragilen Moment der Möglichkeit balanciert, in dem sich alle Potentiale eröffnen, bevor ich eine Ent- scheidung treffen und Möglichkeiten ausschließen muss. So ist der Gang entlang der Grenze ein Weg, der es mir erlaubt, einen Blick auf das zu erhaschen, was jenseits meiner Wahrnehmung liegt, sobald ich die Grenze überschritten habe.

Gleichzeitig ist jeder Grenzgang mit der Erfahrung von Abgrenzung verbunden. Es gibt etwas hinter der Grenze, von dem ich getrennt bin, das vielleicht sogar unerreichbar ist, solange ich meiner Seite der Grenze verhaftet bleibe. Wenn man die Grenze entlang dessen abschreitet, was getrennt bleibt, kann ich noch genauer spüren, dass ich nicht Teil davon bin..

Einen Grenzgang zu gehen kann aber auch bedeuten, über die Trennung hinaus zu streben und die Grenze zu durchbrechen. Sich damit absichtlich einem Extrem auszusetzen und ans Äußerste zu gehen, um weiterzukommen oder diesen Zustand auszukosten. In der Kunst sind Grenzgänge nicht der Sonderfall, sondern der Normalzustand. In der lndividuellen künstlerischen Praxis beschäftigen sich Künstlerinnen und Künstler mit dem Neuen, dem noch Undefinierten und den noch offenen Fragen. Die Grenzen dessen, was man selbst kennt und was man sicher leisten kann dabei herauszufordern und wilIentlich zu überschreiten ist vielfach integraler Teil dieses Prozesses.

In der Betrachtung der entstehenden Arbeiten, kann ich so das Neue erfahren, das andere in ihren persönlichen Grenzgängen erfahren haben. Sie zeigen etwas, das mir unbekannt ist und das ich so noch nicht gedacht habe. Egal, ob es aktuelle oder ältere Werke sind, in ihnen tut sich ein anderer Blick auf die Welt auf, den die Künstlerinnen und Künstler im Bild oder Objekt eingefangen haben und durch den Ich die Grenzen meiner Welterfahrung erweitern kann.

Kerstin Rode